Nachhaltige Landwirtschaft in Kanada: der Schutz von Mutter Erde und die Erlangung CO2-Zertifikaten


by admin Oktober 18th, 2023

Nachhaltige Landwirtschaft in Kanada: der Schutz von Mutter Erde und die Erlangung CO2-Zertifikaten

Die landwirtschaftliche Nutzfläche Kanadas ist riesig und umfasst 39 Millionen Hektar bzw. 4 % der kanadischen Landfläche. Damit liegt Kanada weltweit auf Platz 6, hinter Ländern wie den USA und Indien (158/156 Mio. Hektar), Russland/China (122/120 Mio. Hektar) und Brasilien (56 Mio. Hektar. Mit 12 Millionen Hektar sind Kanada‘s Agrarflächen mehr als dreimal so groß wie die von Deutschland.

In Kanada gewinnen nachhaltige Verfahren in der Landwirtschaft aufgrund ihrer positiven Auswirkungen auf die Bodenqualität, Artenvielfalt und Wasserqualität zunehmend an Bedeutung. Nachhaltige Landwirtschaft kann auch zur Erlangung von Emissionsgutschriften für die Bindung von CO2 und die Reduzierung von Treibhausgasemissionen (THG) führen.

Dieser Artikel befasst sich mit möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Bodenqualität, der Biodiversität und der Wasserqualität sowie mit der Möglichkeit, Emissionsgutschriften durch nachhaltige Praktiken in der Landwirtschaft zu erlangen.

 Das Potential der Landwirtschaft CO2-Zertifikate zu generieren

Wie die jüngste Studie des BCG Centre for Canada’s Future und des Arrell Food Institute an der University of Guelph vom Februar 2023 zeigt, machen die von der Landwirtschaft erzeugten Emissionsgutschriften (carbon credits) nur 1% der erteilten aller Zertifikate aus“ Im Vergleich machen  die Treibhausemissionen des Agrarsektors 18% aller CO2-Emissionen aus. Für die Landwirte ergibt sich daraus eine große Chance, ihren Anteil an den Emissionsgutschriften weltweit, und insbesondere in Kanada, zu erhöhen.

Nachhaltige Landwirtschaft wird von kanadischen Farmern in großem Umfang angewendet

Die Daten der letzten Veröffentlichung der kanadischen Landwirtschaftsstatistik 2021 zeigen die Fortschritte bei der Einführung von nachhaltigen Techniken in Kanada. In diesem Bericht heißt es,

– „Fast 65 % der landwirtschaftlichen Betriebe in ganz Kanada gaben an, dass sie nachhaltige Anbaumethoden wie Rotations- und Winterweidehaltung, den Anbau von Deckfrüchten und die Verwendung von Schutzgürteln und Windschutzstreifen anwenden, gegenüber 53,7 % bei der letzten Erhebung vor fünf Jahren.

– Außerdem setzen die Landwirte vermehrt auf trockenresistente Kulturen, wie z.B. Gerste, bei der ein Anstieg von fast 25 % zu verzeichnen war.“

Derzeit gibt es keine Statistiken über die Umsetzung spezifischer Faktoren für eine nachhaltige Landwirtschaft durch kanadische Landwirte, wie z. B. der organische Kohlenstoff im Boden (soil organic carbon – SOC), Biodiversität und Wasserqualität, die auch der Schlüssel für die Erlangung von Emissionszertifikaten sind. Lassen Sie uns analysieren, warum diese Faktoren für die Zertifizierung von Emissionsgutschriften so wichtig sind.

Organischer Kohlenstoff im Boden (Soil Organic Carbon-SOC)

Organischer Kohlenstoff im Boden (SOC) ist ein wesentlicher Bestandteil gesunder und produktiver Böden. Er besteht aus organischem Material wie verrottenden pflanzlichen und tierischen Rückständen, Mikroorganismen und anderen organischen Substanzen. Der SOC ist aus mehreren Gründen entscheidend:

  1. Verbesserte Bodenstruktur: SOC trägt zur Verbesserung der Bodenstruktur bei und macht den Boden widerstandsfähiger gegen Erosion und Verdichtung. Es ermöglicht eine bessere Wasserinfiltration und Durchwurzelung.
  2. Nährstoffrückhaltung: SOC agiert als Speicher für wichtige Nährstoffe und gibt sie nach und nach an die Pflanzen ab, genau dann, wenn sie diese benötigen. Dadurch wird der Einsatz von synthetischen Düngemitteln reduziert und der Nährstoffabfluss in die Gewässer minimiert (siehe auch Wasserqualität).
  3. Kohlenstoffspeicherung: Eine weitere wichtige Rolle des SOC ist seine Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern. Wenn landwirtschaftliche Betriebe den SOC-Gehalt erhöhen, tragen sie zur Abschwächung des Klimawandels bei, indem sie der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen oder durch nachhaltige Anbaumethoden CO2-Emissionen vermeiden.

 

Der SOC ist auch der wichtigste Indikator für die Zertifizierung von Emissionsgutschriften, da er das Ausmaß der Treibhausgasemissionen darstellt, die durch die Bindung im Boden vermieden wurden.

Tatsächlich werden Emissionsgutschriften vergeben, wenn der Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden (SOC) im Laufe der Jahre gestiegen ist. Um CO2-Zertifikate zu erhalten, müssen jährliche SOC-Messungen über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren registriert und bei einer anerkannten Organisation zur Bewertung, Genehmigung und Gutschrift eingereicht werden.

Biodiversität

Auf dem Earth Summit der Vereinten Nationen im Jahr 1992 wurden in dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt die Erhaltung der biologischen Vielfalt (oder Biodiversität) und die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile als Hauptziele eines multilateralen Vertrags vorgeschlagen. Dieser Vertrag wird häufig als das Schlüsseldokument für nachhaltige Entwicklung angesehen.

Das Ziel nachhaltiger landwirtschaftlicher Anbaumethoden besteht also darin, die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft zu erhöhen. Zu den optimalen Verfahren gehören:

  1. Natürliche Schädlingsbekämpfung zur Reduzierung chemischer Pestizide: Hecken und Wildblumenstreifen bieten Lebensraum für Insekten und Raubtiere, die bei der Bekämpfung von Schädlingen in Nutzpflanzen helfen.
  2. Bestäubung: Viele landwirtschaftliche Kulturen benötigen Bienen und Schmetterlinge zur Bestäubung. Da die Bienen- und Schmetterlingspopulationen abnehmen, könnten spezielle Bestäubungsdienstleister eine Lösung für eine effiziente Bestäubung von Nutzpflanzen (und Wildblumen) sein.

Studien haben gezeigt, dass vielfältige Ökosysteme widerstandsfähiger gegen Stress durch extreme Wetterbedingungen und Stürme sind. Sie bieten auch einen Puffer gegen Ernteverluste.

Wasserqualität

Kanadas Seen und Flüsse machen 20 % der weltweiten Süßwasservorräte aus. Süßwasser bedeckt
9 % oder 891.163 km2 der kanadischen Landfläche. Die Aufrechterhaltung der Wasserqualität ist ein weiterer wichtiger Aspekt der nachhaltigen Landwirtschaft in Kanada. Wasserverschmutzungen können durch den Abfluss von Düngemitteln, Pestiziden und Bodenpartikeln in angrenzende Gewässer entstehen.  Nachhaltige landwirtschaftliche Methoden begegnen diesen Problemen durch folgende Maßnahmen:

  1. Anlegen von Uferpuffern: Die Bepflanzung von Uferrandzonen entlang von Wasserläufen trägt dazu bei, Schadstoffe herauszufiltern und das Risiko eines Nährstoffabflusses zu verringern. Jüngste Studien in Québec haben außerdem positive Auswirkungen auf die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren gezeigt (siehe Artikel in La Presse, in französisch, Oktober 2023).
  2. Präzisionslandwirtschaft: Ursprünglich in Israel entwickelt, um der Wasserknappheit zu begegnen, wird diese Anbautechnik nun auch in Kanada angewandt, wo der Klimawandel entweder zu ungewöhnlich hohen Niederschlagsmengen oder zu langen Dürreperioden geführt hat. Durch den Einsatz von Präzisionstechnologie für die Bewässerung und die Zuführung von Nährstoffen werden der übermäßige Wasserverbrauch und die Auswaschung von Nährstoffen reduziert.
  3. Bodenbearbeitung: Adäquate Techniken zur Bodenbearbeitung verhindern Bodenerosion und verringern den Abfluss von Sedimenten in die Gewässer.

The Tampa Bay Estuary Program
Eckerd College Service Learning Project | Robinson Preserve | Photographer: Joe Whalen, Unsplash

Erlangung von Emissionszertifikaten in Kanada

Einer der wichtigen Anreize für kanadische Landwirte, nachhaltige Anbaumethoden einzuführen, ist die Möglichkeit, durch Zertifizierungsprogramme CO2-Zertifikate zu erhalten.

Emissionsgutschriften werden für eine quantifizierte Reduzierung der Treibhausgasemissionen (THG) oder eine Erhöhung der Kohlenstoffbindung im Boden (SOC) vergeben. Landwirtschaftsbetriebe, die die oben genannten Verfahren anwenden, können ihren CO2-Fußabdruck verringern und Emissionszertifikate erhalten.

Der Zertifizierungsprozess umfasst die Überprüfung und Quantifizierung der Kohlenstoffreduzierung des Betriebs durch anerkannte Organisationen. Diese Gutschriften (carbon credits) können dann im Emissionshandel verkauft werden und bieten den Landwirten eine zusätzliche Einkommensquelle sowie einen Anreiz, nachhaltige Anbaumethoden anzuwenden.

Obwohl Agriculture Canada das Ziel verfolgt, nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken zu fördern, gibt es bisher kein landesweites Zertifizierungsprogramm für CO2 Zertifikate. Einzelne kanadische Provinzen, wie z.B. Quebec, haben sich auf bestimmte landwirtschaftliche Sektoren, wie z.B. Milchbetriebe, konzentriert, um Zertifizierungsprogramme auf Provinzebene für Emissionsgutschriften zu entwickeln.

Was den Anbau von Nutzpflanzen betrifft, so können kanadische Landwirte noch keine Emissionsgutschriften generieren, weder auf Provinz- noch auf nationaler Ebene; im Gegensatz zu Landwirten in den USA (siehe Artikel über Indigo Ag), die durch Kohlenstoffgutschriften erhebliche  Zusatzeinnahmen erzielen können.

Zertifizierung von CO2-Emissionen für den Anbau von Nutzpflanzen – ein Pilotprojekt

 Um diesen Prozess auf den Weg zu bringen, arbeiten FIAN und Logiag zusammen, um die Parameter für Kohlenstoffgutschriften im Agrarbereich in Kanada zu entwickeln. Das Pilotprojekt beginnt mit der Analyse des organischen Kohlenstoffs im Boden (SOC) auf einer Fläche im Südwesten Ontarios, die über mehrere Jahre hinweg erfolgen wird.

Um das Sammeln von Bodenproben zu erleichtern, wird die von Logiag entwickelte Technologie zur Entnahme von Bodenproben und zur Analyse der Bodenzusammensetzung eingesetzt. Diese Tests werden in regelmäßigen Abständen durchgeführt, um die Fortschritte nach der Einführung nachhaltiger Anbaumethoden, wie sie oben beschrieben wurden, zu vergleichen.

Das GPS-System von Logiag, das Teil der eigens dafür entwickelten Geräte ist, ermöglicht es, die Proben mit 99,5 %iger Sicherheit an identischen Orten zu entnehmen, so dass die im Laufe der Jahre entnommenen Bodenproben wirklich vergleichbar sind. Die in den speziell entwickelten Behältern von Logiag gesammelten Bodenproben werden dann mit der LaserAGTM-Technologie von Logiag untersucht. Diese Technologie ermöglicht die Analyse einer großen Anzahl spezifischer Bodenbestandteile, einschließlich des organischen Kohlenstoffs im Boden (SOC).

Photo 1: Jacques Nault und Hermann Miehe  diskutieren über die von Logiag entwickelten Maschinen zum Sammeln von Bodenproben.

Photo 2: Die von Logiag entwickelte Maschine zum Sammeln von Bodenproben.

Photo 3: LaserAgTM von Logiag in Aktion – Analyse von Bodenproben auf eine Vielzahl von Parametern, wie z. B. den organischen Kohlenstoff im Boden (SOC).

Dieses Pilotprojekt wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen, bis es zu einer offiziellen Kohlenstoffzertifizierung für Cash-Crop-Farmen führen wird. Wir werden regelmäßig über unsere Fortschritte berichten. Wenn Sie mehr über die nachhaltigen Anbaumethoden der Landwirte wissen wollen, die mit FIAN zusammenarbeiten, dann wenden Sie sich bitte an Hermann Miehe. Sie erreichen ihn unter fian@miehe.ca.

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